Beteiligung der KH analog § 109 SGB VII im Verfahren des Geschädigten gegen die BG - Hessisches LSG, Urteil vom 26.09.2014 - L 9 U 224/13
Eine KfZ-Haftpflichtversicherung ist in analoger Anwendung des § 109 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) klagebefugt. Sie darf als Kfz-Haftpflichtversicherer bzw. Regulierungsbeauftragte und Halterin in analoger Anwendung des § 109 Satz 1 SGB VII die Rechte des Geschädigten gegen die gesetzliche Unfallversicherung geltend machen. Zwar gehören Haftpflichtversicherer nach dem Wortlaut nicht zu den Begünstigten. Jedoch ist nach der Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 1. Juli 1997 – 2 RU 26/96 – und vom 27. März 2012 – B 2 U 5/11 R -) die Interessenlage des Versicherers identisch mit der des potentiell privilegierten Schädigers in den Fällen, in denen der Versicherer von dem Verunfallten direkt in Anspruch genommen werden kann und mit dem Schädiger als Gesamtschuldner haftet.
Eine Beschäftigung gemäß § 7 Abs.1 SGB IV setzt voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Das ist der Fall, wenn der Beschäftigte in einen fremden Betrieb eingegliedert ist und er dabei grundsätzlich einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, das sich aber je nach der Funktion des Beschäftigten im Betrieb darauf beschränken kann, diesem eine funktionsgerecht dienende Teilhabe zu ermöglichen.
Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte und eigener Betriebsmittel, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Einer selbständigen und mithin unternehmerischen Tätigkeit geht derjenige nach, der das wirtschaftliche Risiko trägt. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Dienstleistung (vgl. BSG, Urteil vom 30. Juni 2009 – B 2 U 3/08 R – Breith 2010, 31). Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag (BSG, Urteil vom 19. August 2003 – B 2 U 38/02 R – SozR 4-2700 § 2 Nr. 1; BSG, Urteil vom 30. März 2006 – B 10 KR 2/04 R – SozR 4-5420 § 2 Nr. 1).
Nach diesen Grundsätzen beurteilt sich auch, ob es sich bei einem Zusammenwirken mehrerer Personen um ein solches von mehreren Unternehmern handelt oder ob im Blick auf die zu beurteilende unfallbringende Tätigkeit der Verunfallte abhängig beschäftigt war, auch wenn er bei anderen Tätigkeiten als Unternehmer handelte (vgl. BSG, Urteil vom 30. Juni 2009 s. o.). Auch kann ein selbständiger Unternehmer im Einzelfall für einen anderen Unternehmer eine abhängige Beschäftigung ausüben (BSG, Urteil vom 30. Januar 2007 – B 2 U 6/06 R – SGb 2007, 748)
Eine selbständige Tätigkeit ergibt sich insbesondere, wenn der Geschädigte keine vertragliche Beziehung zu dem Verantalter, sondern nur zu einem Subunternehmer hat, stundenweise abrechnet, auch für andere Firmen arbeitet und sich seine Tätigkeit auch nur als Nebentätigkeit darstellen würde. Dies gilt insbesondere, wenn er Student ist. Auch spricht für eine selbstständige Tätigkeit, daß Kräfte wie er nur in Spitzenzeiten hinzugebucht wurden. Insbesondere konnte der Geschädigte jederzeit frei über seine Tätigkeit entscheiden und hätte bei Nichtbeachtung der Vorgaben das Auftraggebers allenfalls das Risiko getragen, künftig nicht mehr beauftragt zu werden. Die Einhaltung fester Anwesenheitszeiten spricht nicht gegen eine selbstständige Tätigkeit, da eine Koordination bei jedem Projekt zwingend erforderlich ist und daher kein arbeitsvertragliches Direktionsrecht darstellt.
Als Wie-Beschäftigter im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII ist man auch nicht anzusehen, wenn es bereits an der Fremdnützigkeit des Handelns fehlt. Der Zweck der Vorschrift besteht darin, solche Personen unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung zu stellen, die fremdnützig für ein anderes Unternehmen handeln, ohne dass eine Beschäftigung nach Absatz 1 Satz 1 vorliegt (sog. Wie-Beschäftigte), da dann die Zurechnung des Haftungsrisikos zum nutznießenden Unternehmen gerechtfertigt ist (vgl. BSG, Urteil vom 8. Mai 1980 – 8 a RU 38/79 – SozR 2200 § 539 Nr. 66; Bieresborn in: JurisPK § 2 Rdnr. 379).
Derartiges stellt auch keinen Fall der Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG dar.
(veröffentlicht bei juris)
juris-Link:
https://www.juris.de/jportal/?quelle=jlink&docid=JURE160009490&psml=jurisw.psml&max=true
Teilungsabkommen zwischen gesetzlicher Unfallversicherung und Haftpflichtversicherung - Prelinger, jurisPR-VerkR 14/2016, Anm. 6 (Anmerkung zu LG Münster, Urteil vom 04.12.2014 - 8 O 56/14)
Teilungsabkommen zwischen gesetzlicher Unfallversicherung und Haftpflichtversicherung
Autor
Wolfdietrich Prelinger, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, Fachanwalt für Verkehrsrecht, Fachanwalt für Versicherungsrecht
Erscheinungsdatum
13.07.2016
Anmerkung zu
LG Münster, Urteil vom 04.12.2014 – 8 O 56/14
Quelle
Normen
§ 116 SGB 10, § 823 BGB, § 242 BGB
Fundstelle
jurisPR-VerkR 14/2016 Anm. 6
Herausgeber
Jörg Elsner, LL.M., RA und FA für Verkehrsrecht und Versicherungsrecht
Dr. Klaus Schneider, RA und FA für Verkehrsrecht und Versicherungsrecht
Zitiervorschlag
Prelinger, jurisPR-VerkR 14/2016 Anm. 6
Die Krankenkasse benötige keine Schweigepflichtsentbindung der Erben - LG Hof, Urteil vom 09.06.2016 - 24 S 4/16
Prüft eine Krankenkasse den Verdacht eines Behandlungsfehlers und fordert sie hierzu das betroffene Krankenhaus auf, die entsprechenden Behandlungs- und Pflegeunterlagen herauszugeben, dann benötigt das Krankenhaus keine Schweigepflichtsentbindungserklärung der Erben der zwischenzeitlich verstorbenen Versicherungsnehmerin, auch wenn diese zu Lebzeiten keine Schweigepflichtsentbindungserkläung mehr abgeben konnte.
(veröffentlicht bei juris)
juris-Link:
https://www.juris.de/jportal/?quelle=jlink&docid=JURE160010162&psml=jurisw.psml&max=true
vorgehend AG Wunsiedel, Urteil vom 22. Dezember 2016, Az. 1 C 10/15:
https://www.juris.de/jportal/?quelle=jlink&docid=JURE160010161&psml=jurisw.psml&max=true
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Amtsgerichts Wunsiedel vom 22.12.2015 (1 C 10/15) wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Hinsichtlich der Tatsachenfeststellungen wird Bezug genommen auf das angefochtene Endurteil des Amtsgerichts Wunsiedel vom 22.12.2015 (§ 45 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das Erstgericht hat der Klage stattgegeben. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer eingelegten Berufung und beantragt:
Das am 22.12.2015 verkündete Urteil des Amtsgerichts Wunsiedel, Aktenzeichen 1 C 10/15, wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Niederschrift der öffentlichen Sitzung vom 09.06.2016 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Das Amtsgericht Wunsiedel hat mit der angefochtenen Entscheidung zu Recht der Klage vollumfänglich stattgegeben, da die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Herausgabe der angeforderten Behandlungsunterlagen der Patientin .... nach § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X, §§ 401 Abs. 1 analog, 412, 630g BGB hat.
Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung von den vom Erstgericht festgestellten Tatsachen auszugehen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Nach Maßgabe der Grundsätze ist die Kammer im vorliegenden Verfahren umfassend an die Tatsachenfeststellung der Erstinstanz gebunden, weil insoweit keine Sach- bzw. Rechtsfehler zum Nachteil der Berufungsführerin erkennbar sind.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird daher auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen und zum Berufungsvorbringen lediglich nur noch ergänzend folgendes ausgeführt:
Das Erstgericht ist richtigerweise davon ausgegangen, dass die Klägerin hier ein sachliches Interesse für die beantragte Einsichtnahme ausreichend dargelegt hat. Soweit die Berufungsführerin rügt, dass vorliegend zumindest das Unfalldatum und jeweilige Örtlichkeit eines möglichen Unfalls hätten dargestellt werden müssen, ist dem nicht zu folgen, weil die Klägerin ohne Prüfung der Unterlagen der Beklagten hierzu keine weiteren konkreten Angaben machen konnte, ohne nur ins Blaue hinein Vermutungen aufzustellen. Insoweit genügt es -wie vorliegend geschehen - dass die Klägerin unter Verweis auf den in den entsprechenden Behandlungsunterlagen dargestellten Dekubitus II die Möglichkeit des Bestehens eines Schadensersatzanspruches dargestellt hat.
Soweit die Berufungsführerin außerdem meint, mit der Neufassung des § 630g BGB sei das Akteneinsichtsrecht in die Patientenakte abschließend dahingehend geregelt, dass zum einen den Sozialversicherungsträgern gerade kein Einsichtsrecht in die Patientenunterlagen des Verstorbenen zustehe und dass es zum anderen im Hinblick auf § 630g Abs. 3 BGB nicht mehr auf den mutmaßlichen Willen des Verstorbenen sondern nur noch auf eine entsprechend vorliegende Zustimmung der Erben ankommen solle, kann dies gleichfalls nicht zum Erfolg führen.
Denn ausweislich der bereits vom Erstgericht zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26.02.2013, Az.:VI ZR 359/11 , die nicht vor der Neufassung des § 630g BGB ergangen und deshalb auch für den vorliegenden Sachverhalt maßgeblich ist, ist, geht das Einsichtsrecht bzw. der Herausgabeanspruch hinsichtlich der jeweiligen Behandlungsunterlagen des Patienten kraft Gesetzes gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X, §§ 401 Abs. 1 analog, 412 BGB auf den Träger der gesetzlichen Krankenversicherung über, sofern damit - wie hier - die Klärung von möglichen Schadensersatzansprüchen herbeigeführt werden soll. Der Bundesgerichtshof hat weiterhin festgestellt, dass in diesem Fall regelmäßig davon auszugehen ist, dass die Offenlegung der Unterlagen gegenüber der Krankenversicherung auch dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen entspricht. Damit ist höchstrichterlich auch klargestellt, dass die Neuregelung des § 630g BGB der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGH m.w.N.) dem hier in Streit stehenden Einsichtsrecht bzw. Herausgabeanspruch des Sozialversicherungsträgers aus übergegangenem Recht nicht entgegensteht und dass diese Ansprüche allein nach den höchstrichterlich dargestellten Voraussetzungen zu überprüfen sind.
Unter Anwendung dieser vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze ist das Erstgericht zu Recht zu der Feststellung gelangt, dass die Beklagte zur Herausgabe der gegenständlichen Behandlungsunterlagen an die Klägerin gemäß § 116 Satz 1 SGB XI, 401 Abs. 1 analog, 412 BGB verpflichtet ist.
Die dagegen seitens der Beklagten eingelegte Berufung war folglich als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in den § 708 Nr. 10, 713 ZPO.
IV.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzung nach § 543 ZPO nicht gegeben sind. Die gegenständliche Entscheidung folgt der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Anspruch des Sozialversicherungsträgers auf Herausgabe von Kopien der Behandlungsdokumentation aus übergegangenem Recht des behandelnden Patienten.(vgl. BGH Urteil vom 26.02.2013, Az.: VI ZR 349/11 m.w.N.).
Kein Vorrang der Leistungsklage bei fortbestehenden Personenschäden - Prelinger, jurisPR-MedizinR 6/2016, Anm. 4 (Anmerkung zu BGH, Urteil vom 19.04.2016 - VI ZR 506/14)
BGH, Urteil vom 19. April 2016, Az. VI ZR 506/14
Autor
Wolfdietrich Prelinger, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, Fachanwalt für Verkehrsrecht, Fachanwalt für Versicherungsrecht
Erscheinungsdatum
23.06.2016
Anmerkung zu
BGH, Urteil vom 19. April 2016, Az. VI ZR 506/14
Quelle
Normen
§ 256 Abs. 1 ZPO, § 563 Abs. 3 ZPO; § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB
Fundstelle
jurisPR-MedizinR 6/2016 Anm. 4
Herausgeber
Möller und Partner – Kanzlei für Medizinrecht
Zitiervorschlag
Prelinger, jurisPR-MedizinR 6/2016 Anm. 4
Der Fahrzeughalter haftet, auch wenn die Insassen verschweigen, wer Fahrer war - OLG Dresden, Urteil vom 04.05.2016 - 7 U 960/15
Die tatsächlichen Voraussetzungen der Haftung des Fahrzeughalters aus § 7 Abs.1 StVG und des Fahrzeugführers aus § 18 StVG sind vom Geschädigten zu beweisen.
Lässt sich nicht feststellen, wer zum Zeitpunkt des Unfalls das Fahrzeug führte - insbesondere wenn beide Insassen ein eigenes Interesse haben, dieses zu verschweigen, weil beide erheblich alkoholisiert waren und einer der Insassen über keine Fahrerlaubnis verfügte - dann lassen sich zwar nicht die Voraussetzungen der Haftung des Fahrzeugführers gemäß § 18 StVG beweisen. Der Fahrzeughalter haftet jedoch weiterhin, wenn er nicht die Ausschlusstatbestände nach § 8 Nr. 2 StVG (Geschädigter war beim Betrieb des Fahrzeugs tätig) und § 7 Abs.3 S.1 StVG ("Schwarzfahrt") beweist.
Wenn sich nicht feststellen lässt, wer das Fahrzeug führte, kann auch ein Mitverschuldensvorwurf keinem der Insassen zugeordnet werden. Die Alkoholisierung des Fahrers hätte zudem für den Geschädigten erkennbar sein müssen, wofür mangels Erinnerung der Insassen tragfähige Feststellungen nicht möglich sind.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts Dresden vom 12.05.2015 - Az.: 9 O 2535/13 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
- Die Beklagte zu 2) und 3) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 16.941,37 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. seit dem 03.02.2010 zu zahlen.
- Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche weiteren über das Teilungsabkommen hinausgehenden Schäden zu ersetzen, die der Klägerin aus der Verletzung des Herrn … aus dem Verkehrsunfall vom 01.05.2007, gegen 04:50 Uhr auf der … entstanden sind und noch entstehen werden.
- Die Beklagten zu 2) und 3) werden als Gesamtschuldner verurteilt, die Klägerin von den Anwaltskosten ihres Prozessbevollmächtigten für dessen vorgerichtliche Tätigkeit in dieser Sache in Höhe von 633,32 EUR brutto freizustellen.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Von den Gerichtskosten tragen die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner 4/5 und die Klägerin 1/5. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) hat die Klägerin zu tragen. Die Beklagten zu 2) und 3) tragen als Gesamtschuldner 2/3 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die jeweiligen Vollstreckungsschuldner dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
und beschlossen:
- Die Klägerin wird ihrer Berufung gegen den Beklagten zu 1) für verlustig erklärt.
- Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 24.941,37 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin macht als gesetzliche Krankenversicherung - nach Berufungsrücknahme gegenüber dem Beklagten zu 1) - gegen die Beklagte zu 3) als Halterin und gegen die Beklagte zu 2) als Kraftfahrversicherung aus übergegangenem Recht Ansprüche ihres geschädigten Versicherungsnehmers … aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 01.05.2007 gegen 4.50 Uhr auf der … ereignet hat.
Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht Dresden hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten entweder - wenn der Geschädigte … das Unfallfahrzeug geführt hat - nach § 8 Nr. 2 StVG, oder - für den Fall, dass der Beklagte zu 1) Fahrer gewesen ist - nach § 7 Abs. 3 S. 1 StVG ausgeschlossen sei. Darüber hinaus stehe einer Haftung der Beklagten ein ausschließendes Mitverschulden des Geschädigten … entgegen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Das Urteil vom 12.05.2015 ist der Klägerin am 26.05.2015 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 24.06.2015, der am 25.06.2015 beim Oberlandesgericht Dresden eingegangen ist, hat die Klägerin Berufung eingelegt. Nachdem die Frist zur Berufungsbegründung bis einschließlich 27.08.2015 verlängert worden ist, hat die Klägerin ihre Berufung mit Schriftsatz vom 15.08.2015, eingegangen bei dem Oberlandesgericht Dresden am 18.08.2015, v. a. mit dem Vorliegen widersprüchlicher, sich wechselseitig ausschließender Urteilsbegründung sowie einer fehlerhaften und unvollständigen Beweiserhebung und -Würdigung durch das Landgericht begründet. Zu den Berufungsangriffen im Einzelnen wird auf den Berufungsbegründungsschriftsatz vom 15.08.2015 sowie die insoweit vertiefenden Schriftsätze des Klägervertreters vom 16.10.2015, 18.01.2016 und 27.01.2016 verwiesen.
Die Klägerin beantragt nach Berufungsrücknahme gegenüber dem Beklagten zu 1. mit Schriftsatz vom 18.01.2016, zuletzt:
Unter Abänderung des am 12.05.2015 verkündeten Urteils des Landgerichts Dresden, Az. 9 O 2535/13 wird das Urteil wie folgt neu gefasst:
- Die Beklagten zu 2) und 3) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 16.941,37 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. seit dem 03.02.2010 zu zahlen.
- Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner darüber hinaus verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche weiteren über das Teilungsabkommen hinausgehenden Kosten, Schäden und Aufwendungen zu ersetzen, die der Klägerin aus der Verletzung des … aus dem Verkehrsunfall vom 01.05.2007, gegen 4.50 Uhr auf der … in …, entstanden sind und noch entstehen werden.
- Die Beklagten zu 2) und 3) werden als Gesamtschuldner verurteilt, die Klägerin von den Anwaltskosten ihres Prozessbevollmächtigten für dessen vorgerichtliche Tätigkeit in dieser Sache i.H.v. 727,09 EUR brutto freizustellen.
- Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, auf die von der Klägerin eingezahlten Gerichtskosten Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem jeweiligen Zeitpunkt der Einzahlung bei der Gerichtskasse bis zum Zeitpunkt des Eingangs des Kostenfestsetzungsantrags nach Maßgabe der ausgeurteilten Kostenquote zu zahlen.
Die Beklagten zu 2) und 3) beantragen:
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten zu 2) und 3) sind insbesondere der Auffassung: Sei der Geschädigte … der Fahrer gewesen, entfalle die Haftung der Beklagten zu 2) und 3) nach § 8 Nr. 2 StVG. Habe der Beklagte zu 1) das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt geführt, schließe § 7 Abs. 3 StVG eine Haftung der Beklagten zu 2) und 3) aus, da es nicht dem mutmaßlichen Willen der Beklagten zu 3) entsprochen habe, dass ihr Fahrzeug einer Person überlassen wurde, die keine Fahrerlaubnis besaß und aufgrund Alkoholkonsums absolut fahruntüchtig war. Jedenfalls müsse sich die Klägerin ein erhebliches Mitverschulden des Geschädigten anrechnen lassen. Zu den Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Beklagtenvertreters vom 07.10.2015, 13.01.2016, 27.01.2016 und 14.03.2016 verwiesen.
Mit Zustimmung der Parteien hat der Senat mit Beschluss vom 25.02.2016 den Übergang ins schriftliche Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO angeordnet.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 09.12.2015 sowie die Kopien aus der strafrechtlichen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Dresden - Zweigstelle Meißen – Aktenzeichen … verwiesen.
II.
Die zulässige, insbesondere den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Berufungsschrift nach § 520 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 und 3 ZPO genügende Berufung der Klägerin hat - nach Berufungsrücknahme gegenüber dem Beklagten zu 1) - im Hinblick auf die Beklagten zu 2) und 3) im Wesentlichen Erfolg. Die Klageabweisung durch das Landgericht im angefochtenen Urteil entsprach nach Auffassung des Senats nicht der Sach- und Rechtslage.
1.
Die Klägerin hat aus übergegangenem Recht (§ 116 Abs. 1 S. 1 SGB X) einen Anspruch auf Schadensersatz bezüglich der für den Geschädigten … aufgewendeten Heilbehandlungskosten gegen die Beklagte zu 3) als Halterin gemäß § 7 Abs. 1 StVG und gegen die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherer des Unfallfahrzeugs gemäß §§18 und 7 StVG, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob das Fahrzeug der Beklagten zu 3) zum Unfallzeitpunkt von dem Beklagten zu 1) oder dem Geschädigten … geführt worden ist.
- Entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts war diese Haftung auch weder gemäß § 8 Nr. 2 StVG noch wegen § 7 Abs. 3 StVG oder nach § 116 Abs. 6 SGB X ausgeschlossen.
- Nach der Vorschrift des § 8 Nr. 2 StVG gilt § 7 StVG dann nicht, wenn der Verletzte „bei dem Betrieb des Kraftfahrzeuges“ tätig gewesen ist Dies wird für Personen angenommen, die durch unmittelbare Beziehung zu den Kraftfahrzeugtriebkräften der typischen Betriebsgefahr mehr als andere ausgesetzt sind (vgl. BGH NJW 2011, 292). Zu diesem Personenkreis gehört primär der Fahrer des Kraftfahrzeuges, welcher durch eigene Handlungen die Gefährdung erst hervorruft. Im Einzelfall kann auch der Beifahrer zu diesem Personenkreis gezählt werden, sofern er in irgendeiner Weise tatsächlich beim Betrieb des Kraftfahrzeuges tätig wird, beispielsweise durch Ermöglichung des Betriebes, weil er das Fahrzeug selbst zur Verfügung gestellt hat und zudem Einfluss auf die Fahrstrecke nimmt (vgl. OLG Saarbrücken, Schaden-Praxis 2009,389).
Die Darlegungs- und Beweislast im Hinblick auf § 8 Nr. 2 StVG trägt wegen dessen Charakters als Ausnahmetatbestand der Halter (vgl. Hentschel-König, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 8 StVG Rn. 1; BGH NZV1997, 390).
Die insoweit beweisbelasteten Beklagten zu 2) und 3) haben nicht den Beweis dafür erbracht, dass der Geschädigte … im Unfallzeitpunkt selbst gefahren ist. Die Beklagten zu 2) und 3) haben insoweit keinen Beweis angetreten. Auch aus dem übrigen Akteninhalt, insbesondere der beigezogenen strafrechtlichen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Dresden - Zweigstelle Meißen - (Az.: ...) ergibt sich dies nicht. Weder das im Ermittlungsverfahren eingeholte medizinische Gutachten zu den erlittenen Verletzungen der beiden Fahrzeuginsassen, des Beklagten zu 1) und des Geschädigten …, noch das DNA-Gutachten gelangten insoweit zu einem klaren Ergebnis. Die vom Landgericht durchgeführte Beweisaufnahme hat keine belastbaren weiteren Erkenntnisse ergeben. So hat der Geschädigte … von seinem Zeugnisverweigerungsrecht als Sohn der Beklagten zu 3) Gebrauch gemacht. Der Beklagte zu 1) hat vorgetragen, an den Unfall und den Ablauf des vorangegangenen Festabends keine Erinnerung mehr zu besitzen. Die Zeugin … hat ebenfalls keine belastbaren Bekundungen zur entscheidenden Frage, wer im Unfallzeitpunkt gefahren ist, getätigt.
Der Ausnahmetatbestand des § 8 Nr. 2 StVG käme auch dann nicht zur Anwendung, wenn der Geschädigte nur Beifahrer gewesen wäre. Dass ein Beifahrer „beim Betrieb tätig“ im Sinne des § 8 Nr. 2 StVG ist, kommt ggfs. unter besonderen Umständen in Betracht, die hier weder vorgetragen noch bewiesen sind ist. So ist nach Aktenlage völlig unklar, ob der Geschädigte … und der Beklagte zu 1) einen gemeinsamen Entschluss dahingehend gefasst haben, mit dem Auto der Beklagten zu 3) die Maifeier zu verlassen. Weder wurde dies von den Parteien behauptet noch ist derartiges aktenkundig. Der Geschädigte … hat sogar anlässlich seiner Zeugenvernehmung in der strafrechtlichen Ermittlungsakte Gegenteiliges bekundet ("Ich kann nicht sagen, wie wir zum Auto gekommen sind, warum wir das genommen haben. Ich hatte keinen Grund mein Auto zu benutzen. Ich hatte alles für meine Übernachtung beim S… mit.“). Wie es letztlich zu der gemeinsamen Fahrt im Anschluss an die Maifeier gekommen ist, wohin diese gehen sollte und wer sie veranlasst hat, liegt nach dem Parteivortrag im Dunklen.
Ebenso wenig greift hier der weitere Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 3 StVG zugunsten der Beklagten zu 3) ein. Danach ist derjenige, welcher das Fahrzeug „ohne Wissen und Wollen des Halters“ benutzt, an dessen Stelle zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Dies gilt insbesondere für den sogenannten „Schwarzfahrer“, etwa nach einer Entwendung des Fahrzeuges. Hingegen bleibt die Halterhaftung bestehen, wenn dieser sein Kraftfahrzeug lediglich verleiht und der Entleiher dieses anschließend unbefugt einem Dritten zur Benutzung für eigene Zwecke überlässt (BGHZ 37, 306; BGH NJW 1957,1878).
Der Geschädigte … hat die Fahrzeugschlüssel von seiner Mutter - verbunden mit der Erlaubnis zum Führen des Kraftfahrzeuges - erhalten. Selbst bei der Annahme, eine Weitergabe der Fahrzeugschlüssel an den Beklagten zu 1) widerspreche dem Willen der Beklagten zu 3), würde dies nichts am Fortbestehen der Halterhaftung ändern (vgl. BGH, a.a.O.). Einen den Ausschluss der Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG erfüllenden Ausnahmetatbestand (etwa mittels Entwendung des Schlüssels durch den Beklagten zu 1)) haben die insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagte zu 2) und 3) weder vorgetragen noch unter Beweis gestellt.
Schließlich wird der Übergang der dem Geschädigten … entstandenen Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu 3) auch nicht durch § 116 Abs. 6 SGB X (“Familienprivileg“) verhindert, weil der Geschädigte … im Unfallzeitpunkt bereits einen eigenen Hausstand in … hatte. Dies hat der Beklagte zu 1) im Rahmen seiner Anhörung im Sitzungstermin vor dem Landgericht am 12.03.2015 bestätigt. Die Beklagten zu 2) und 3) haben auch keine Umstände dafür vorgetragen, dass der Geschädigte … zum Schadenszeitpunkt dennoch seinen Lebensmittelpunkt auch im Sinne einer gemeinsamen Haushaltsführung bei seiner Mutter, der Beklagten zu 3), innehatte. Der Aufenthalt am Wochenende genügt insoweit nicht, da ein - zudem nur teilweises - gemeinschaftliches Wohnen nicht das Tatbestandsmerkmal des „Lebens in häuslicher Gemeinschaft“ erfüllt (vgl. dazu BGH vom 15.01.1980, VI ZR 270/78, Rn. 12 ff. zu § 67 VVG a. F., zitiert nach juris).
Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten zu 2) und 3) greift nach Auffassung des Senats auch kein mitwirkendes Verschulden des Geschädigten … ein, welches sich die Klägerin anspruchsmindernd entgegenhalten lassen müsste.
In Betracht für eine anteilige Mithaftung nach § 254 BGB kommt der - zwischen den Parteien unstreitige - Umstand, dass der Beklagte zu 1) im Unfallzeitpunkt deutlich alkoholisiert war. Ein Geschädigter muss sich ggfs. den Einwand eigenen Mitverschuldens entgegenhalten lassen, wenn er sich als Beifahrer einem infolge Alkoholkonsums nicht mehr verkehrssicheren Kraftfahrers anvertraut. Insoweit hat das Landgericht nachvollziehbar den ärztlicherseits im Ermittlungsverfahren festgestellten Blutalkoholwert des Beklagten zu 1) sowie denjenigen des Geschädigten … verwertet. Bei der gebotenen Rückrechnung kann für den Beklagten zu 1) im Unfallzeitpunkt ein Blutalkoholwert von ca. 1,2 Promille (absolute Fahruntüchtigkeit) unterstellt werden. Angesichts des hier gegebenen Unfallablaufs (Abkommen des Kraftfahrzeugs von der Fahrbahn in einer Kurve ohne Fremdeinwirkung) spricht nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits ein Anschein für ein Verschulden des Fahrzeugführers (vgl. BGH, Urt. v. 15.04.1966, Az.: VI ZR 246/64) und damit auch für die Ursächlichkeit der Alkoholisierung für das Unfallgeschehen (BGH, Urt. v. 10.01.1995, Az.: VI ZR 247/94).
Nach Auffassung des Senats existieren auf der Grundlage des Sachvortrags der Parteien sowie bei ergänzender Würdigung des gesamten Sach- und Streitstandes einschließlich der beigezogenen Ermittlungsakten jedoch keine ausreichenden Tatsachen, die eine belastbare Überzeugung gemäß § 286 BGB dahingehend begründen könnten, der Geschädigte … hätte vor Fahrtantritt eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Beklagten zu 1) erkennen müssen. Zwar haben beide Beteiligte den Abend vor dem Unfall auf einem Maibaumfest in … verbracht und hierbei jeweils erheblich dem Alkohol zugesprochen. So wies der Geschädigte … zum Unfallzeitpunkt angesichts des nachgewiesenen Blutalkoholgehalts und entsprechender gebotener Rückrechnung einen Blutalkoholwert im Bereich von etwa zwei Promille auf. Der Senat hat allerdings für die Frage der Erkennbarkeit des Alkoholkonsums für den Beifahrer stets entscheidend auf die Umstände des Einzelfalles - und hierbei auf das Vorliegen belastbarer Tatsachen - abgestellt.
Derartige belastbare Tatsachen gibt es vorliegend weder für das Verhalten des Geschädigten (… und des Beklagten zu 1) während der Feier noch im Hinblick auf die Umstände des gemeinsamen Fahrtantrittes. Vielmehr berufen sich insoweit beide Beteiligte auf gravierende Erinnerungslücken. Angesichts der feststehenden erheblichen Alkoholisierung des Geschädigten … vor Fahrtantritt erscheint es auch vorstellbar, dass dieser den (durch die Notärztin nach dem Unfallgeschehen festgestellten) Alkoholgeruch bei dem Beklagten zu 1) nicht wahrgenommen hat.
Nachdem hier auch sämtliche weiteren Umstände, wie es zu dem gemeinsamen Fahrantritt gekommen ist, im Dunklen liegen, kann nicht ohne weiteres gemäß § 827 Satz 2 BGB unterstellt werden, dass der Geschädigte … - im Rahmen der dann gebotenen Vorverlagerung des Mitverschuldensvorwurfs - durch seinen Alkoholkonsum auf der Maifeier vorwerfbar eine dann eingetretene Situation herbeigeführt hat, in welcher er die zum Selbstschutz erforderliche Einsichtsfähigkeit nicht mehr aufwies. Angesichts der vollständigen Unaufgeklärtheit der Ereignisse vor Fahrtantritt ist es denkbar, dass der Geschädigte entweder schlafend ins Auto gebracht worden ist oder dort schlafend vom Beklagten zu 1) angetroffen wurde, wobei letzterer dessen Fahrzeugschlüssel gegen seinen Willen an sich genommen haben könnte. Ein derartiges Agieren des Geschädigten vor Fahrtantritt würde aber noch keinen Mitverschuldensvorwurf begründen können.
Angesichts der danach nicht in ausreichendem Maße vorhandenen belastbaren Tatsachen, auf denen eine sichere Überzeugung des Senats nach § 286 BGB von einem Mitverschulden des Geschädigten stützen könnte, verbleibt es dabei, dass die auch insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten zu 2) und 3) diesbezüglich keinen hinreichenden Sachvortrag geleistet haben.
Dem Geschädigten kann auch nicht vorgeworfen werden, als Beifahrer bei einem Fahrer mitgefahren zu sein, der über keine Fahrerlaubnis verfügte. Die Beklagten zu 2) und 3) haben weder behauptet, dass der Geschädigte … dies wusste, noch bestehen dafür Anhaltspunkte.
Der Anspruch der Klägerin auf Ersatz der Heilungsbehandlungskosten des Geschädigten ist auch der Höhe nach unter Berücksichtigung des Teilungsabkommens begründet.
Die Klägerin hat unter Vorlage von Ausdrucken der EDV-Nachweise die für die Heilbehandlung des Geschädigten ... aufgewendeten Kosten vorgetragen. Die vorgelegten Leistungsnachweise der Klägerin als Krankenversicherung des Geschädigten ... belegen die in der Klageschrift bezifferten Schäden im Einzelnen nach Leistungszeitpunkt, -art und -umfang. Die Beklagten haben nach Vorlage der Nachweise keine Einwendungen gegen den behaupteten Leistungsumfang mehr erhoben.
Das Bestreiten eines Schädelhirntraumas ist angesichts der entsprechenden Feststellung des ärztlichen Untersuchungsberichts vom 01.05.2007 (Bl. 19 der strafrechtlichen Ermittlungsakte) und der Angaben des Geschädigten zu seinen Verletzungen gemäß der polizeilichen Zeugenvernehmung vom 25.06.2007 (Bl. 84 d. strafrechtlichen Ermittlungsakte) unsubstantiiert.
Verzugszinsen kann die Klägerin aufgrund der Inverzugsetzung mit Schreiben vom 18.09.2009 gemäß §§ 288 Abs. 1, 286 BGB verlangen.
2.
Weiterhin kann die Klägerin auch die Feststellung beanspruchen, dass die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner hinsichtlich weiterer Schäden aus dem Verkehrsunfallereignis den Geschädigten haften, soweit diese über das Teilungsabkommen hinausgehen.
3.
Freistellung von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten kann die Klägerin nach § 257 BGB jedoch nur unter Zugrundelegung einer 1,3 Geschäftsgebühr (geltend gemacht nur nach Vorbemerkung III Abs. 4 VV VRVG nicht anrechenbarer Teil der Geschäftsgebühr) und damit in Höhe von 633,32 EUR brutto verlangen.
Die mit der Begründung, grundsätzlich sei angesichts der notwendigen umfangreichen Prüfung der Sach- und Rechtslage ein Satz von 1,5 anzusetzen, der wegen der 20%igen Toleranzgrenze auch nicht angreifbar sei, geltend gemachte 1,5 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG, kann die Klägerin nicht beanspruchen, da sie nicht dargelegt hat, dass die vorgerichtliche Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten umfangreich oder schwierig war und dies auch nicht ersichtlich ist.
Eine Erhöhung der Geschäftsgebühr über die Regelgebühr von 1,3 hinaus kann nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war und ist deshalb nicht unter dem Gesichtspunkt der Toleranzrechtsprechung bis zu einer Überschreitung von 20 % der gerichtlichen Überprüfung entzogen (vgl. BGH vom 11.07.2012, VIII ZR 323/11; BGH vom 05.02.2013, VI ZR 195/12). Der BGH führt insoweit - ausdrücklich auch in Abweichung zu dem von der Klägerin zitierten Urteil des BGH vom 08.05.2012, VI ZR 273/11 - wie folgt aus:
„Zwar steht dem Rechtsanwalt gemäß § 14 Abs. 1 RVG bei Rahmengebühren wie der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV-RVG ein Ermessensspielraum zu, so dass, solange sich die vom Rechtsanwalt im Einzelfall bestimmte Gebühr innerhalb einer Toleranzgrenze von 20 % bewegt, die Gebühr nicht unbillig im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG und daher von einem ersatzpflichtigen Dritten hinzunehmen ist. Eine Erhöhung der Schwellengebühr von 1,3, die die Regelgebühr für durchschnittliche Fälle darstellt, auf eine 1,5-fache Gebühr ist aber nicht der gerichtlichen Überprüfung hinsichtlich des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Überschreitung der Regelgebühr von 1,3 entzogen. Andernfalls könnte der Rechtsanwalt für durchschnittliche Sachen, die nur die Regelgebühr von 1,3 rechtfertigen, ohne weiteres eine 1,5-fache Gebühr verlangen. Dies verstieße gegen den Wortlaut und auch gegen den Sinn und Zweck des gesetzlichen Gebührentatbestandes in Nr. 2300 VV-RVG, der eine Erhöhung der Geschäftsgebühr über die Regelgebühr hinaus nicht in das Ermessen des Rechtsanwalts stellt, sondern bestimmt, dass eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig und damit überdurchschnittlich war.
Soweit dem Urteil des erkennenden Senats vom 8. Mai 2012 (VI ZR 273/11, VersR 2012, 1056 Rn. 4 f.) etwas Abweichendes zu entnehmen sein sollte, wird daran nicht festgehalten.“ (vgl. BGH vom 05.02.2013, VI ZR 195/12, Rn. 8 f., zitiert nach juris).
Ein besonderer Umfang oder eine besondere Schwierigkeit sind jedoch nicht ersichtlich. Ein überdurchschnittlicher Umfang ergibt sich insbesondere nicht aus der Tatsache, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin u. U. mehrere Verfahren gegen die Beklagten für verschiedene Mandanten gleichzeitig führte (die hiesige Klägerin als gesetzliche Krankenversicherung des Geschädigten, den Arbeitgeber und die gesetzliche Pflegekasse des Geschädigten). Bel gleichzeitiger Bearbeitung des Sachverhalts für mehrere Mandanten spricht mehr dafür, dass Synergieeffekte einen unterdurchschnittlichen Umfang begründen.
Danach ergibt sich die folgende Berechnung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten:
4.
Der Feststellungsantrag zur Verzinsung der Gerichtskostenvorschüsse bleibt ohne Erfolg. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, inwieweit ihr ein konkreter materieller Schaden aus der fehlenden Verfügungsmöglichkeit über die eingezahlten Gerichtskostenvorschüsse entstanden ist. Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Verzugs- oder (in geringerem Umfang) Fälligkeitszinsen nach § 288 Abs. 1 BGB bzw. §§ 256, 246 BGB liegen nicht vor. Prozesszinsen können nur bei Rechtshängigkeit der Geldschuld beansprucht werden, Leistungsklage wurde nicht erhoben; eine Feststellungsklage genügt insoweit nicht (vgl. Grüneberg in Zöller, 75. Auflage 2016, § 291 Rn. 4 m. w. Nw.).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 91 Abs. 1,100 Abs. 4, 516 Abs. 3 S. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Die maßgeblichen Rechtsfragen sind höchstrichterlich geklärt. Das im Rahmen des Mitverschuldenseinwandes auszuübende tatrichterliche Ermessen entfaltet keine Wirkungen über den Einzelfall hinaus.
Nach § 516 Abs. 3 ZPO war auszusprechen, dass die Zurücknahme der Berufung gegenüber dem Beklagten zu 1) den Verlust des eingelegten Rechtsmittels zur Folge hat.
Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus den §§ 47, 48 GKG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO.
(veröffentlicht bei juris)
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Verletzung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG durch Übergehung von Beweisantritten - OLG Nürnberg, Urteil vom 03.02.2016 - 4 U 1078/15
Es stellt eine unzulässige Beweisantizipation dar, wenn ein angebotener Zeugenbeweis deshalb nicht erhoben wird, weil das Gericht dessen Bekundungen wegen seiner bereits gewonnenen Überzeugung kein Gewicht mehr beimisst (BVerfG, NJW-RR 2001, 1006). Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots, die im Prozessrecht keine Stütze hat, verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz und stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar.
Es verstößt auch gegen Art. 103 Abs.1 GG, wenn das Gericht angebotene Beweise für den unfallbedingten Eintritt einer posttraumatischen Belastungsstörung und Agoraphobie nicht erhebt. Eine Abweisung des auch auf die Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger Kosten, Schäden und Aufwendungen der Klägerin gerichteten Feststellungsantrags wäre nämlich nur dann gerechtfertigt, wenn die Klägerin den ihr obliegenden Nachweis für das Vorliegen der psychischen Beeinträchtigungen der Geschädigten oder die Verursachung der Beeinträchtigungen durch den Unfall nicht geführt hätte. Diese Feststellung setzt jedoch die Erhebung der von der beweisbelasteten Partei angebotenen Beweise voraus.
Wegen solcher wesentlicher Verfahrensmängel ist der Rechtsstreit gemäß § 538 ZPO an das Gericht I. Instanz zurückzuverweisen.
(veröffentlicht in: juris)
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Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 31.03.2015 samt des diesem zugrunde liegenden Verfahrens aufgehoben. Die Sache wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten, auch des Berufungsverfahrens, bleibt der landgerichtlichen Entscheidung vorbehalten.
Gerichtsgebühren für die Berufungsinstanz sowie gerichtliche Gebühren und Auslagen, die durch das aufgehobene Urteil verursacht worden sind, werden nicht erhoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 56.851,69 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin verfolgt mit der Klage auf sie übergegangene Ansprüche der bei ihr krankenversicherten Geschädigten M. W. („Geschädigte“) aufgrund eines Verkehrsunfalls. Am 27.09.2007 ereignete sich auf der BAB A 6 in Richtung N. zwischen den Anschlussstellen S. und R. bei Kilometer … ein Verkehrsunfall. An dem Unfallgeschehen waren fünf Fahrzeuge beteiligt. Die Geschädigte war Beifahrerin in dem (von vorne gesehen) zweiten Fahrzeug, das von ihrem Ehemann gesteuert wurde. Aufgrund des Unfallgeschehens entstand am Fahrzeug W. ein Front- und Heckschaden. Die Geschädigte wurde durch den Unfall verletzt. Beim letzten Fahrzeug in der Reihe handelte es sich um den ausländischen LKW vom Typ DaimlerChrysler Sprinter samt Anhänger, der von dem Kraftfahrer S. gesteuert wurde und der auf das Stauende aufgefahren war. Der Beklagte hat die Abwicklung des Unfallschadens übernommen.
Diesem Rechtsstreit vorangegangen war eine Schadensersatz- und Feststellungsklage der Geschädigten gegen den Beklagten. In dem unter dem Aktenzeichen 2 O 11493/09 beim Landgericht Nürnberg-Fürth geführten Rechtsstreit hat die Klägerin vortragen lassen, der Beteiligte S. habe das vor ihm fahrende Fahrzeug des Beteiligten W. auf den davor befindlichen PKW des Beteiligten P. aufgeschoben, wodurch dieses Fahrzeug den davor befindlichen PKW W. auf den weiter davor befindlichen LKW des Beteiligten K. aufgeschoben habe. Durch diesen Auffahrunfall sei die Klägerin erheblich verletzt worden, insbesondere habe sie eine Verletzung des Kniebinnenapparates erlitten, was dazu geführt habe, dass eine Knieprothese eingesetzt und revidiert habe werden müssen. Ferner habe sie eine posttraumatische Belastungsstörung sowie eine Agoraphobie davongetragen. Das Landgericht hat im dortigen Verfahren nach informatorischer Anhörung der Klägerin und Einvernahme ihres Ehemannes als Zeugen ein kombiniertes biomechanisches und medizinisches Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dr. med. Dr. Ing. M. H. eingeholt. Im dortigen Verfahren gelangte der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass es aus unfallrekonstruktiver und kollisionsmechanischer Sicht nicht plausibel und nicht nachvollziehbar sei, dass der PKW W. auf das Heck des LKW K. aufgeschoben worden sei. Aus der Unfallrekonstruktion sei vielmehr zu folgern, dass der PKW W selbständig fahrend frontal mit dem LKW K. kollidiert sei. Weder die Heck-Kollision noch die Front-Kollision sei geeignet, den von der Geschädigten behaupteten Anprall ihres Knies am Armaturenbrett und die vorgetragene Knieverletzung auszulösen. Der Rechtsstreit wurde daraufhin durch Abschluss eines Abgeltungsvergleichs beendet, wonach der Beklagte an die Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 500,00 € zu zahlen hatte.
Im hier vorliegenden Rechtsstreit stützt sich die Klägerin auf die Unfallschilderung der Geschädigten und behauptet, das Fahrzeug W. sei nicht auf das davor befindliche Fahrzeug K. aufgefahren, sondern durch den vom Fahrzeug S. gesetzten Impuls letztendlich auf das Fahrzeug K. aufgeschoben worden. Dabei habe die Geschädigte sich eine HWS-Zerrung, eine Thoraxprellung rechtsseitig, Verletzungen des Kniebinnenapparates sowie eine posttraumatische Belastungsstörung zugezogen.
Die Klägerin behauptet, sie habe für die Geschädigte unfallbedingte Kosten und Aufwendungen in Höhe von 51.851,69 € getragen. Aufgrund der Schwere der Verletzungen der Geschädigten sei damit zu rechnen, dass auch künftig weitere Heilbehandlungen erforderlich und weitere Kosten und Aufwendungen anfallen würden.
Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt:
- Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 51.851,69 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz per anno seit Klagezustellung zu zahlen.
- Es wird festgestellt, dass der Beklagte darüber hinaus verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren Kosten, Schäden und Aufwendungen zu ersetzen, die der Klägerin aus der Verletzung der Frau M. W., geb. am …, F. Straße, … ..E., vom …. gegen 10.10 Uhr auf der A 6 in Richtung A. bei Kilometer …, … S., entstanden sind und noch entstehen werden.
- Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die Klägerin von den Anwaltskosten ihres Prozessbevollmächtigten für dessen vorgerichtliche Tätigkeit in dieser Sache in Höhe von 1.026,07 € brutto freizustellen.
- Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, auf die jeweiligen von der Klägerin eingezahlten Gerichtskosten Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem jeweiligen Zeitpunkt der Einzahlung bei der Gerichtskasse bis zum Zeitpunkt des Eingangs des Kostenfestsetzungsantrages nach Maßgabe der ausgeurteilten Kostenquote zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte behauptet, das Fahrzeug W. sei auf das davor zum Stehen gekommene Fahrzeug K. aufgefahren und bestreitet die von der Klägerin behaupteten Unfallfolgen und die von der Klägerin vorgetragenen Kosten und Aufwendungen. Die Behandlungen am Knie der Geschädigten seien vielmehr wegen einer bereits seit 1996 bekannten Gonarthrose am rechten Kniegelenk erforderlich geworden.
Das Landgericht hat die Akten des Vorprozesses, Az. 2 O 11493/09, beigezogen und zum Gegenstand dieses Verfahrens gemacht. Weiter hat es den Sachverständigen Dr.-Ing. Dr. med H. uneidlich zur Erläuterung seines im Vorprozess erstatteten Gutachtens angehört.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Sachverständige habe zur vollen Überzeugung des Gerichts ausgeführt, dass der Fahrer des Fahrzeugs W. zunächst auf das vor ihm fahrende Fahrzeug aufgefahren sei. Durch das Unfallgeschehen habe sich die Geschädigte zwar eine HWS-Zerrung zugezogen, jedoch keine Thoraxprellung und auch keine Kniebinnenverletzung. Die Einvernahme der von der Klägerin angebotenen Zeugen zum Unfallhergang sei nicht veranlasst gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin in der Sache die in erster Instanz gestellten Anträge weiter. Sie ist der Auffassung, das Landgericht habe wesentliche Verfahrensgrundsätze und ihr Recht auf rechtliches Gehör verletzt. Das Erstgericht habe sich eine Überzeugung vom Unfallhergang gebildet, ohne die von der Klägerin hierfür angebotenen fünf Unfallzeugen zu hören, deren Einvernahme die Klägerin ausdrücklich beantragt habe. Das Erstgericht habe ferner das Hilfsvorbringen der Klägerin übergangen, wonach die Fahrzeuge P. und W. unmittelbar vor dem Anprall noch gerollt seien, wodurch sich auch nach den Bekundungen des Sachverständigen ein anderes Unfallgeschehen ergebe. Darüber hinaus habe das Erstgericht das Sachverständigengutachten zwar übernommen, aber nicht gewürdigt. Das Gericht habe insbesondere nicht berücksichtigt, dass der Sachverständige für die Erstellung medizinischer Gutachten nicht allgemein bestellt und vereidigt sei. Die Nichtvereidigung des Sachverständigen trotz Antrags der Klagepartei sei damit ermessensfehlerhaft gewesen. Das Landgericht habe ferner den Sachvortrag der Klagepartei, wonach die Geschädigte zum Unfallzeitpunkt die Rückenlehne des Beifahrersitzes etwas zurückgelehnt gehabt und gelesen habe, verfahrensfehlerhaft seiner Entscheidung nicht zugrunde gelegt und die hierfür angebotenen Beweise nicht erhoben. Das Vorbringen der Klägerin hinsichtlich der bei der Geschädigten eingetretenen psychischen Probleme habe das Landgericht offensichtlich falsch verstanden. Auch insoweit hätte die Klage nicht ohne Einholung eines psychiatrisch-psychologischen Sachverständigengutachtens abgewiesen werden dürfen.
Zur Sitzposition der Geschädigten trägt die Klägerin in der Berufungsbegründung unter Beweisantritt vor, die Geschädigte sei mit dem Knie ungefähr 15 cm vom Armaturenbrett entfernt gesessen (vgl. Bl. 215 d.A.).
Die Klägerin ist der Auffassung, dass wegen der zahlreichen Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens und der Erforderlichkeit einer aufwendigen Beweisaufnahme einzig eine Zurückverweisung des Rechtsstreits sinnvoll sei.
Sie beantragt deshalb die Aufhebung des Urteils und des Verfahrens und Zurückverweisung der Sache an das Prozessgericht erster Instanz.
In der Sache verfolgt die Klägerin weiter folgende Anträge:
Unter Abänderung des am 31.03.2015 verkündeten Urteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth, Az. 2 O 1063/13 wird das Urteil wie folgt neu gefasst:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 51.851,69 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz per anno seit Klagezustellung zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte darüber hinaus verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren Kosten, Schäden und Aufwendungen zu ersetzen, die der Klägerin aus der Verletzung der Frau M. W., geb. am …., F. Straße …, … E., vom … gegen 10.10 Uhr auf der A 6 in Richtung A. bei Kilometer …, … S., entstanden sind und noch entstehen werden.
3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die Klägerin von den Anwaltskosten ihres Prozessbevollmächtigten für dessen vorgerichtliche Tätigkeit in dieser Sache in Höhe von 1.026,07 € brutto freizustellen.
4. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, auf die jeweiligen von der Klägerin eingezahlten Gerichtskosten Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem jeweiligen Zeitpunkt der Einzahlung bei der Gerichtskasse bis zum Zeitpunkt des Eingangs des Kostenfestsetzungsantrages nach Maßgabe der ausgeurteilten Kostenquote zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, aufgrund der eindeutigen Bekundungen des Sachverständigen stehe fest, dass die Geschädigte sich bei dem Unfall keine Knieverletzungen zugezogen habe. Der Sachverständige sei approbierter Arzt und somit auch zur Erstellung medizinischer Gutachten befähigt. Die Behauptungen der Klägerin bezüglich einer etwaigen posttraumatischen Belastungsstörung der Geschädigten seien nicht entscheidungserheblich, da die Klägerin selbst vorgetragen habe, dass hierdurch keine klagegegenständlichen Behandlungskosten ausgelöst worden seien. Unzutreffend sei das Hilfsvorbringen der Klägerin, wonach die Fahrzeuge P. und W. unmittelbar vor der Kollision noch gerollt seien. Die zuletzt aufgestellten Behauptungen der Klägerin zur Sitzposition der Geschädigten seien zu wenig konkret, um hierüber Beweis erheben zu können.
Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze und auf das Sitzungsprotokoll vom 13.01.2016 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin, die primär die Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung und Zurückverweisung beantragt hat, ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und des diesem zugrunde liegenden Verfahrens sowie zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht. Das Verfahren des ersten Rechtszugs leidet an wesentlichen Verfahrensmängeln, die eine umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich machen, § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO.
Soweit sich das Landgericht die Überzeugung gebildet hat, dass das Fahrzeug W. zunächst auf das davor befindliche Fahrzeug K. aufgefahren ist, bevor es zur Heck-Kollision mit dem Fahrzeug P. gekommen ist, beruht diese Überzeugungsbildung auf einem Verfahrensfehler. Das Landgericht ist zu Unrecht den entscheidungserheblichen Beweisantritten der Klägerin für den von ihr behaupteten Unfallhergang nicht nachgegangen. Bereits in der Klageschrift (vgl. Bl. 4 d. A.) hat die Klägerin die Einvernahme der Zeugen M. und N. W. zum Beweis der Behauptung angeboten, der PKW W. sei auf das Vorderfahrzeug aufgeschoben worden. Unabhängig vom Ergebnis des im Vorprozess (Landgericht Nürnberg-Fürth, Az. 2 O 11493/09) eingeholten Sachverständigengutachtens war der angebotene Zeugenbeweis zu erheben. Es stellt eine unzulässige Beweisantizipation dar, wenn ein angebotener Zeugenbeweis deshalb nicht erhoben wird, weil das Gericht dessen Bekundungen wegen seiner bereits gewonnenen Überzeugung kein Gewicht mehr beimisst (BVerfG, NJW-RR 2001, 1006). Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots, die im Prozessrecht keine Stütze hat, verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz und stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar.
Gleiches gilt hinsichtlich der klägerischen Behauptung, die Geschädigte habe sich durch den Aufprall mit dem rechten Knie am Handschuhfach angestoßen. Zum Beweis dieser Behauptung hat die Klägerin ebenfalls die Einvernahme der Eheleute W. als Zeugen angeboten (vgl. Bl. 7 d. A.). Auch diesen Beweis hat das Landgericht nicht erhoben und sich alleine aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen die Überzeugung gebildet, dass sich die Geschädigte nicht am Handschuhfach gestoßen haben kann.
Der Sachverständige hat im Rahmen der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens im Termin vom 24.02.2015 ausdrücklich offen gelassen, ob sich am Ergebnis seines Gutachtens etwas ändern würde, wenn er den Abstand zwischen dem Knie der Geschädigten und dem Armaturenbrett kennen würde (vgl. Bl. 155 d. A.).
Wenngleich auch nicht übersehen werden darf, dass der Sachvortrag der Klagepartei zur Sitzposition der Geschädigten bis zur Berufungsbegründung, in der erstmals von einem Abstand von circa 15 cm die Rede ist, relativ wenig konkret war, so bleibt doch festzustellen, dass erstmals im Termin vom 24.02.2015 die mögliche Relevanz der Sitzposition für das Gutachtensergebnis zur Sprache gekommen ist. Hätte das Landgericht die Eheleute W. in Anwesenheit des Sachverständigen zu der Behauptung des Anstoßes mit dem Knie gehört, hätte der Sachverständige den Zeugen die für sein Gutachten offensichtlich nicht bedeutungslose Frage der Sitzposition stellen und damit eine fundiertere Grundlage für sein Gutachten schaffen können.
Das Landgericht hat ohne Begründung auch den hilfsweisen Vortrag der Klägerin übergangen, die Fahrzeuge P. und W. seien unmittelbar vor dem Aufprall noch gerollt (Bl. 148 d. A.), was – nach vorläufiger Einschätzung des Sachverständigen – dazu führen könnte, dass ein völlig anderes Unfallgeschehen zu rekonstruieren sei. Zum Nachweis ihres hilfsweisen Vortrags beruft sich die Klägerin auf die Zeugen P. und W, sowie für die Behauptung, dass es auf das Heck des LKW K. nur einen einzigen Aufprall gegeben habe, auf den Zeugen K.. Auch die Nichteinvernahme dieser drei Zeugen stellt einen Verfahrensverstoß dar.
Der Begründung des landgerichtlichen Urteils ist schließlich nicht zu entnehmen, welche Argumente zu einer Abweisung des unter Ziffer 2. des Klageantrags formulierten Feststellungsantrags geführt haben. Losgelöst von der streitigen Frage, wie es zu dem Frontalschaden am Fahrzeug W. gekommen ist, hat das Fahrzeug bei dem Unfall unstreitig auch im Heckbereich einen Anstoß erlitten, der als (Mit-)Ursache für die auch vom Sachverständigen für plausibel und nachvollziehbar erachtete HWS-Zerrung der Geschädigten in Betracht kommt.
Soweit die Klägerin – gestützt auf entsprechende Angaben der Geschädigten – im vorliegenden Rechtsstreit behauptet, die Geschädigte habe durch den Unfall über die Primärverletzung hinaus eine posttraumatische Belastungsstörung sowie eine Agoraphobie erlitten, ist dies zwar für den bezifferten Zahlungsantrag ohne Relevanz, da die Klägerin selbst nicht vorträgt, sie habe für die Behandlung der behaupteten psychischen Beeinträchtigungen bereits Aufwendungen getätigt. Eine Abweisung des auch auf die Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger Kosten, Schäden und Aufwendungen der Klägerin gerichteten Feststellungsantrags wäre jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn die Klägerin den ihr obliegenden Nachweis für das Vorliegen der psychischen Beeinträchtigungen der Geschädigten oder die Verursachung der Beeinträchtigungen durch den Unfall nicht geführt hätte. Diese Feststellung setzt jedoch die Erhebung der von der beweisbelasteten Partei angebotenen Beweise voraus. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin bereits in der Klageschrift für das Vorbringen der psychischen Beeinträchtigungen und deren Beruhen auf dem streitgegenständlichen Unfall die Einvernahme der Eheleute W. als Zeugen sowie die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt (vgl. Bl. 7 – 9 d. A.). Diese Beweise wurden vom Erstgericht nicht erhoben. Auch die Abweisung des Feststellungsantrags beruht somit auf einem Verfahrensfehler.
Aufgrund der Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör leidet das erstinstanzliche Verfahren an einem so erheblichen Mangel, dass es keine ordnungsgemäße Grundlage für eine die Instanz beendende Entscheidung sein kann (BGH, NJW 2001, 1500).
Die zu erwartende Beweisaufnahme erfüllt auch die Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Zunächst werden die von der Klägerin benannten Zeugen zum Ablauf des Unfallgeschehens, zur behaupteten Sitzposition der Geschädigten sowie zu den Behauptungen der Klägerin hinsichtlich der Wahrnehmungen der Zeugen W. in Bezug auf das Knie der Geschädigten zu hören sein, gegebenenfalls in Anwesenheit eines Sachverständigen zur Unfallanalyse und Biomechanik. Sodann wird – unter Einbeziehung etwaiger durch die Zeugeneinvernahme gewonnener neuer Erkenntnisse – ein unfallanalytisches und biomechanisches Sachverständigengutachten darüber einzuholen sein, ob das Fahrzeug W. während des Unfallgeschehens auf das davor befindliche Fahrzeug K. aufgefahren und/oder aufgeschoben worden ist sowie dazu, ob es dabei zu der von der Klagepartei behaupteten Berührung des Knies der Geschädigten mit dem Armaturenbrett/Handschuhfach gekommen ist.
Entsprechend dem vorläufigen Ergebnis der insoweit durchzuführenden Beweisaufnahme wird das Landgericht dann über die Erforderlichkeit der Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zur Frage der Ursächlichkeit der so festgestellten unfallbedingten Einwirkungen auf das Knie der Geschädigten für die behaupteten Verletzungen des Kniebinnenapparates zu entscheiden haben. Die Auswahl des gegebenenfalls zuzuziehenden medizinischen Sachverständigen wird unter Beachtung von § 404 Abs. 2 ZPO zu erfolgen haben.
In Bezug auf den gestellten Feststellungsantrag wird das Landgericht zu entscheiden haben, ob aus dem festgestellten Unfallhergang weitere, bislang noch nicht bezifferte unfallkausale Kosten und Aufwendungen der Klägerin für die bei ihr versicherte Geschädigte erwachsen können und gegebenenfalls in welchem Maße diese auf den Verursachungsbeitrag des Beteiligten S. zurückzuführen sind. Soweit hierfür die von der Klägerin behaupteten unfallbedingten psychischen Beeinträchtigungen der Geschädigten von Relevanz sind, wird den Beweisangeboten der Klagepartei auf Einvernahme der Eheleute W. als Zeugen und gegebenenfalls auf Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens nachzugehen sein.
III.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten, da der endgültige Erfolg der Berufung erst nach der abschließenden Entscheidung beurteilt werden kann.
Die Gerichtskosten waren gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 GKG wegen der festgestellten Verfahrensmängel niederzuschlagen
Gemäß § 708 Nr. 10 ZPO war das Urteil für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 543 Abs. 2 ZPO.
Auch Provisionen Angestellter sind Teil des auf den Arbeitsunfähigkeitszeitraum entfallenden Entgelts, das nach § 6 EfZG übergeht - Kammergericht, Urteil vom 14.09.2015 - 22 U 242/14
Wird ein Angestellter, der im Wesentlichen auf Provisionsbasis arbeitete, bei einem Unfall verletzt, so sind die Provisionen Teil des auf den Arbeitsunfähigkeitszeitraum entfallenden Entgelts, das nach § 6 EntgeltfortzahlungsG auf den Arbeitgeber übergeht. Es ist im Rahmen des Anspruchs des Zedenten sowie hinsichtlich der Entgeltfortzahlung für die nach § 287 ZPO vorzunehmende Schätzung nicht zu beanstanden, das Entgelt wegen der Schwankungsbreite der Provisionen und eventueller Stornobeträge hinsichtlich der entgangenen Provisionen nach dem vorangegangenen Zeitraum von einem Jahr zu bemessen.
Das anteilige Urlaubsentgelt ist ebenfalls Teil des auf den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit entfallenden Entgelts.
Auch jährliche Einmalzahlungen sind entsprechend der Rechtslage zur Urlaubvergütung Teil des Entgelts und entsprechend anteilig zu berechnen. Auch sie sind nach § 6 EntgeltfortzahlungsG übergangsfähig.
(veröffentlich in: juris)
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Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das am 13. November 2014 verkündete Urteil der Zivilkammer 43 des Landgerichts Berlin - 43 O 353/12 - teilweise geändert:
- Das Versäumnisurteil vom 12. Februar 2014 sowie das Versäumnisurteil vom 16. Mai 2013 werden im Umfang der folgenden Verurteilung zu Nr. 2 und Nr. 3 teilweise aufgehoben.
- Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 14.487,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2012 zu zahlen.
- Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche weiteren Schäden zu ersetzen, die ihr aus der Verletzung des ..., geb. ... 1963, vom 14. Dezember 2008 gegen 12.45 Uhr aus dem Verkehrsunfall an der Kreuzung Kurfürstenstraße / Einemstraße in 10785 Berlin noch entstehen werden.
- Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 21 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 79 % zu tragen; mit Ausnahme der durch die Säumnis im Termin am 16. Mai 2013 veranlassten Kosten, die die Klägerin allein zu tragen hat.
- Das Urteil sowie - im Umfang der Zurückweisung der Berufung - das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Von der Darstellung des Sachverhaltes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung ist überwiegend begründet; im Übrigen jedoch unbegründet.
1. Der Klägerin steht gegen die Beklagten der geltend gemachte Anspruch aus dem Verkehrsunfall vom 14. Dezember 2008, an dem auf der Kreuzung der Arbeitnehmer der Klägerin und der Beklagte zu 1. beteiligt waren, gemäß §§ 823 Abs. 1, 842, 249, 252 BGB; §§ 7, 17, 18 StVG; § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und S. 4 VVG; § 421 BGB i.V.m. §§ 3, 6 Abs. 1 EFZG bzw. - aufgrund der Abtretung unter dem 25. Februar 2009 - i.V.m. § 398 BGB nur in Höhe von 14.487,67 € zu. Im Übrigen ist der Anspruch zur Höhe unbegründet.
a) Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Abtretung wirksam ist. Insoweit wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen. Die Abtretung unter dem 25. Februar 2009 (§ 398 BGB) ist umfassend formuliert und daher zur Bestimmtheit unbedenklich. Allerdings geht sie als Vorausabtretung für die erst nach dem 25. Februar 2009 mit Zahlung des Entgelts entstehenden Ansprüche dem gesetzlichen Übergang nach § 6 EFZG vor. In welchem Umfang hier die Ansprüche noch kraft Gesetzes übergegangen sind, kann jedoch mangels Relevanz offen bleiben.
b) Die Beklagten haften dem Zedenten, dem ... und damit der Klägerin dem Grunde nach in vollem Umfang, weil der Beklagte zu 1. auf die Kreuzung Kurfürstenstraße/Einemstraße trotz für ihn geltenden Rotlichts unter Verstoß gegen § 37 Abs. 2 Nr. 1 S. 7 StVO einfuhr, während ein Rotlichtverstoß oder ein anderweitiger Sorgfaltspflichtverstoß (§ 1 StVO) des Zeugen ... nicht festzustellen ist.
aa) Ob die Beklagte zu 3. allein durch die geringen Teilzahlungen, denen ersichtlich die Annahme einer vollen Haftung zu Grunde lag, den Anspruch dem Grunde nach deklaratorisch anerkannte, ist zweifelhaft. Der Bundesgerichtshof hat zwar eine Regulierungszusage (Zusage, Kosten zu übernehmen) einer Haftpflichtversicherung als deklaratorisches Anerkenntnis gewertet (BGH, Urteil vom 19. November 2008 - IV ZR 293/05 - NJW-RR 2009, 382 f.). Diese Annahme setzt jedoch zum einen eine solche hinreichend klare Formulierung voraus. Zum anderen war dort maßgeblich, dass gegenüber der Haftpflichtversicherung - anders als im Fall der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung - kein Direktanspruch des Geschädigten bestand. Grundsätzlich ist ein (nicht nur einseitig erklärtes, sondern beiderseitig) vertraglich bindendes deklaratorisches Schuldanerkenntnis aber nur dann anzunehmen, wenn für die Beteiligten ein konkreter Anlass für den Abschluss einer verbindlichen Vereinbarung bestand, also ein Streit oder eine sonst bestehende Unsicherheit beseitigt werden sollte (vgl. Gehrlein in: Bamberger/Roth, BGB (Stand: 1.05.2015), § 781 Rn. 8 m.w.Nw.). Die Beklagte zu 3. hatte mit Schreiben vom 30. Oktober 2009 lediglich mitgeteilt, die Forderung nach Sach- und Rechtslage zu prüfen. Auch in dem weiteren Schreiben vom 29. März 2010 ist nur eine Abrechnung zur Höhe erfolgt, ohne dass irgendwelche Erklärungen zu dem Grund des Anspruchs erfolgt wären. Der Umstand, dass auch insoweit die Annahme einer vollen Haftung zu Grunde gelegt worden sein muss, ersetzt die erforderliche verbindliche vertragliche Erklärung nicht. In das Schreiben vom 15. Oktober 2010, mit dem weitere Zahlungen erneut abgelehnt wurden, eine solche Erklärung hineinzuinterpretieren, kommt nicht in Betracht, weil für die Abgabe einer solchen Erklärung auf Seiten der Beklagten zu 3. nun keinerlei Anlass mehr bestand. Im Übrigen stellt nicht jegliche tatsächliche Äußerung bereits eine rechtsverbindliche Willenserklärung dar. Auch die Klägerin ist in erster Instanz noch davon ausgegangen, dass kein Anerkenntnis dem Grunde nach vorlag. Sie hat ein solches nicht erwähnt, sondern vielmehr Beweis für den Unfallhergang angetreten und noch mit Schriftsatz vom 22. März 2013 von den Beklagten erwartet, die Haftung dem Grunde nach anzuerkennen.
bb) Verfahrensrechtlich ist aber jedenfalls davon auszugehen, dass der Beklagte zu 1. einen Rotlichtverstoß beging.
(1) Der Beklagte zu 1. hat zwar anlässlich seiner persönlichen Anhörung bekundet, etwa aus 75 Meter Entfernung und auch noch beim Vorbeifahren an der Ampel Grün gesehen zu haben. Es ergeben sich jedoch bereits Zweifel an der Verlässlichkeit seiner Angaben. So hat er geäußert, er fahre prinzipiell langsam und bei grünem Ampellicht, was im Hinblick auf den Umstand, dass es sich zumindest gelegentlich nicht vermeiden lässt, bei Gelb zu fahren, nicht überzeugt und eine Entlastungstendenz deutlich werden lässt. Der Beklagte zu 1. hat ferner angegeben, im letzten Moment bei Grün gefahren zu sein, war sich jedoch auch auf Vorhalt sicher nur Grün und nicht Gelb gesehen zu haben, so dass unklar bleibt, woher er wissen konnte, dass er im letzten Moment, d.h. vor dem Umschalten auf Gelb, gefahren sein sollte.
(2) Dagegen hat der Zeuge ... u.a. ausgesagt, er sei mit normaler Geschwindigkeit gefahren und seine Ampel sei Grün gewesen. Er habe auch die rechts gelegene Fußgängerampel in gleicher Richtung gesehen, die ebenfalls Grün gezeigt habe. Beide Ampeln habe er aus einer Entfernung von 50 bis 60 Metern gesehen. Er habe deshalb durchfahren können und nicht wieder beschleunigen müssen. Ein Umschalten der Ampel habe er nicht gesehen.
(3) Es kann offen bleiben, ob bereits die Aussage des Zeugen ... zur vollen Überzeugung des Gerichts (§ 286 ZPO) von der Wahrheit der Behauptung der Klägerin führt. Der Beklagte zu 1. ist rechtskräftig mit Strafbefehl vom 14. Oktober 2009 auf der Grundlage eines Rotlichtverstoßes wegen fahrlässiger Körperverletzung des ... sowie seiner - des Beklagten zu 1. - Fahrgäste verurteilt worden, nachdem er seinen Einspruch auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hatte, was mit Urteil vom 18. Dezember 2009 zu einer Verminderung der Geldstrafe und dem Wegfall des Fahrverbots führte. Dies ist auch für den Zivilprozess nicht bedeutungslos, zumal damit in der Sache ein Geständnis erfolgt ist, was jedenfalls die tatsächliche Vermutung begründet, dass die Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch bzw. das tatsächlich damit verbundene Geständnis nicht nur aus taktischen Gründen erfolgte, sondern der Angeklagte die ihm vorgeworfene Straftat nicht ohne Entsprechung zur Realität einräumte, weshalb nun die Beklagten zu widerlegen haben, dass der Vorwurf nicht zutrifft (vgl. auch BGH, Urteil vom 15. März 2004 - II ZR 136/02 - NJW-RR 2004, 1001 [II.1.]; vgl. ferner zum tatsächlichen Anerkenntnis nach einem Verkehrsunfall als Zeugnis gegen sich selbst: BGH, Urteil vom 10. Januar 1984 - VI ZR 64/82 - NJW 1984, 799 [II.2.]). Diese Widerlegung ist zweifelsfrei nicht gelungen.
cc) Da zudem nicht widerlegt ist, dass die für den ... geltende Ampel bereits aus größerer Entfernung auf Grün geschaltet war, kann nicht davon ausgegangen werden, dass er damit rechnen musste, es würden noch verkehrswidrig bei frühem Rot fahrende Kraftfahrzeuge die Kreuzung passieren. Mit groben Verkehrsverstößen muss ein Verkehrsteilnehmer nicht rechnen, weshalb es keinen Verstoß gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht (§ 1 StVO) begründen kann, dass der Zeuge nicht auf (verbotswidrig) querenden Verkehr achtete.
c) Die Ansprüche sind auch nicht verjährt.
Die dreijährige Verjährungsfrist endete zwar am 31. Dezember 2011 (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB), sie war jedoch aufgrund der Anmeldung der Ansprüche mit den beiden Schreiben der die Klägerin vertretenden Betriebskrankenkasse vom 3. März 2009 bei der Beklagten zu 3. angemeldet worden, so dass die Verjährung gemäß § 115 Abs. 2 S. 2, S. 3 VVG bis zur abschließenden Entscheidung gehemmt war, die hier mit Schreiben der Beklagten zu 3. vom 29. März 2010 erfolgte. Die Verjährung endete daher erst in der zweiten Januarhälfte 2013, weshalb die im Dezember 2012 eingereichte Klage, die ohne der Klägerin anzulastende Verzögerung und deshalb demnächst i.S.v. § 167 ZPO am 8. Februar 2013 zugestellt wurde, die Verjährung gemäß §§ 204 Abs. 1 Nr. 1, 209 BGB i.V.m. § 115 Abs. 2 S. 4 VVG rechtzeitig hemmte. Der unter dem 14. Januar 2013 angeforderte Vorschuss ist bereits am 18. Januar 2013 eingezahlt gewesen. Soweit die Beklagten meinen, den Schreiben sei eine Vertretung der Klägerin nicht zu entnehmen, weil diese unter dem Briefkopf der Betriebskrankenkasse erfolgten, ist maßgeblich, dass ausweislich der Unterschriftenzeile die Klägerin handelte, zumal unstreitig den Schreiben die Auflistung der Forderungen der Klägerin (Anlage K2) beigefügt war.
d) Hinsichtlich der Höhe des Entgeltfortzahlungsanspruchs, der jedenfalls nicht die dem Zedenten zustehenden (auf die Klägerin kraft Gesetzes bzw. aufgrund der Abtretung übergegangenen) Ansprüche übersteigt, gilt unter Berücksichtigung des unstreitigen Zeitraums der Arbeitsunfähigkeit im Einzelnen Folgendes:
(1) Entgeltfortzahlung (13.998,57 € für die ersten 6 Wochen [14.12.2008 - 24.1.2009 = 42 Kalendertage oder 30 Arbeitstage])
(a) Es ist - im Rahmen des Anspruchs des Zedenten sowie hinsichtlich der Entgeltfortzahlung (§ 4 Abs. 1a S. 2 EFZG) - für die nach § 287 ZPO vorzunehmende Schätzung nicht zu beanstanden, das Entgelt wegen der Schwankungsbreite der Provisionen und eventueller Stornobeträge hinsichtlich der entgangenen Provisionen nach dem vorangegangenen Zeitraum von einem Jahr zu bemessen (vgl. Reinhard in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl., § 4 EFZG Rn. 16; Oetker in: Staudinger, BGB (2011), § 616 Rn. 402; Müller-Glöge in: Münchener Kommentar, BGB, 6. Aufl., § 4 EFZG Rn. 21), weshalb die Vereinbarung in Nr. 5 i.V.m. Nr. 3 Abs. 1 des Anstellungsvertrages zu Grunde zu legen ist, nach der die Entgeltfortzahlung aus der Summe der in den letzten 12 Monaten verdienten Provisionen zu berechnen ist.
(b) Es war bereits in erster Instanz offensichtlich, dass in der Auflistung der Klägerin lediglich der mit der Entgeltabrechnung für November 2008 schon belegte Betrag nicht aufgeführt worden ist. Folgende Beträge für das jährliche Provisionseinkommen sind maßgeblich und belegt:
Entgeltabrechnung für | "VERK. PROV. LFD" |
Dez 07 | 7.751,30 € |
Jan 08 | 12.160,96 € |
Feb 08 | 6.521,22 € |
Mrz 08 | 8.743,95 € |
Apr 08 | 12.630,36 € |
Mai 08 | 7.981,88 € |
Jun 08 | 7.591,37 € |
Jul 08 | 13.197,87 € |
Aug 08 | 11.156,21 € |
Sep 08 | 6.223,33 € |
Okt 08 | 9.014,97 € |
Nov 08 | 8.423,21 € |
Summe | 111.396,63 € |
Grundsätzlich genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungs- und Beweislast, wenn er die entsprechenden Entgeltabrechnungen vorlegt, so dass dies auch für die Klägerin als Zessionarin gilt. Nur ernsthafte Anhaltspunkte dafür, dass die Entgeltabrechnungen nachträglich manipuliert wurden und/oder nicht das vereinbarte Entgelt repräsentieren, vermögen höhere Anforderungen an die Darlegungslast zu rechtfertigen. Die in zweiter Instanz vorgelegten Provisionsabrechnungen sowie die nähere Erläuterung der vertraglichen Grundlagen sind von den Beklagten im Übrigen nicht mehr kommentiert worden.
(c) Vereinbarungsgemäß beträgt (neben dem Fixum) der Vergütungssatz pro Arbeitstag 1/250 des Provisionseinkommens der letzten 12 Kalendermonate nach Nr. 5. i.V.m. Nr. 3. Abs. 1 des Anstellungsvertrages. Das berechnet die Klägerin zwar zutreffend mit 13.367,60 € (111.396,63 € [Provisionen] / 250 Arbeitstage x 30 Arbeitstage), sie macht jedoch nur einen etwas geringeren Betrag von 13.354,57 € geltend (vgl. Schriftsatz vom 24. Juni 2013, S. 3: 12.018,58 € und 1.335,99 €, vgl. auch Anl. K2, 2. Seite ["Erläuterungen"] zum Schriftsatz vom 26. Juni 2013), der deshalb vorliegend maßgeblich ist.
(d) Soweit die Klägerin daneben ein Fixum ausgehend von 460 €/Monat anteilig für Dezember 2008 von 276 € und anteilig für Januar 2009 von 368 € ansetzt, legt sie ihrer Berechnung den Monat mit 30 Kalendertagen zu Grunde, obwohl beide Monate 31 Kalendertage haben. Deshalb ergeben sich nur folgende Beträge: 460 €/31 Tage x 18 Kalendertage = 267,10 € und 460 €/31 Tage x 24 Kalendertage = 356,13 €. Von diesen Beträgen hat die Beklagte zu 3. im Übrigen 267,10 € sowie 296,71 € bei ihrer Zahlung berücksichtigt. Dass die Beträge demgemäß nicht Teil der Klageforderung sind, wird hier bei der abschließenden Berechnung entsprechend rechnerisch berücksichtigt.
(e) Die Beträge (insgesamt 13.977,80 €) sind ausweislich der (höheren) Entgeltabrechnungen auch ausgezahlt.
(2) Vermögenswirksame Leistungen (53,18 € für 60 Kalendertage [14.12.2008 - 13.2.2009])
(a) Der Arbeitgeberanteil ist Teil des Entgelts (vgl. Reinhard in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl., § 4 Rn. 12; Müller-Glöge in: Münchener Kommentar, BGB, 6. Aufl., § 4 EFZG Rn. 13) und ist im Übrigen von der Beklagten zu 3. zutreffend mit 42,03 € abgerechnet und bezahlt worden, so dass er überwiegend nicht Teil der Klageforderung ist, sondern nur bei der abschließenden Berechnung zu berücksichtigen ist.
(b) Die Berechnung der Beklagten ist zutreffend, und zwar für Dezember 2008 mit 15,44 € (26,59 € / 31 Kalendertage x 18 Kalendertage) und für Januar 2009 mit [ungekürzten] 26,59 €. Für Februar 2009 ergibt sich ausweislich der Entgeltabrechnung keine Auszahlung, so dass ein etwaiger Anspruch weder kraft Gesetzes noch - entsprechend der Formulierung - aufgrund der Abtretung übergehen konnte
(c) Klarstellend wird - auch für die folgenden Positionen - angemerkt, dass die Klägerin auf die Berechnung von 62 Kalendertagen statt 60 Kalendertagen verzichtet hat, weshalb der Zeitraum bis zum 13. Februar 2009 (statt bis zum 15. Februar 2009) Gegenstand der Klage ist.
(3) Urlaubsvergütung (2.830,99 € für 60 Kalendertage [14.12.2008 - 13.2.2009])
(a) Soweit die Klägerin im Rahmen der Urlaubsvergütung zusätzlich ein Urlaubsgeld von 1.872,60 € (62,42 €/Urlaubstag x 30 Urlaubstage) ansetzt, hat sich dieser Betrag - was das Landgericht zu Recht ausgeführt hat - weder zum Grund noch zur Höhe schlüssig aus den vorgelegten Unterlagen, also insbesondere dem Anstellungsvertrag oder der als Anlage K1 mit Schriftsatz vom 3. Juli 2013 eingereichten Vereinbarung ableiten lassen, zumal nach der Erläuterung im Termin vom 4. Juli 2013 der zutreffende Betrag 62,39 € sein soll. In der Vereinbarung ist nur die Berechnungsgrundlage bzw. ein Bestandteil zur Berechnung für ein zusätzliches Urlaubsgeld geregelt, aber nicht die Berechtigung zum Erhalt des Urlaubsgeldes oder sonst weitere Einzelheiten der Berechnung. Der mit der Berufungsbegründung vorgelegte Urlaubstarifvertrag wird insoweit schon nicht konkret in Bezug genommen und deshalb nicht erläutert, welcher konkrete Fall des § 6 hier Anwendung finden und wie sich nun hieraus konkret welcher Urlaubsgeldanspruch konkret berechnen lassen sollte.
(b) Die Urlaubsvergütung ist im Übrigen schlüssig berechnet. Ausgehend von 13.367,60 € (111.396,63 € [Provisionen] / 250 Arbeitstage x 30 Arbeitstage) ergibt sich als anteilige Urlaubsvergütung ein Betrag von 2.483,15 € (13.367,60 € x 60 Kalendertage / 323 Kalendertage [365 Tage - 42 Kalendertage Urlaub]).
(c) Das anteilige Urlaubsentgelt ist auch Teil des auf den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit entfallenden Entgelts (st. Rspr. des Bundesgerichtshofes, vgl. BGH, Urteil vom 13. August 2013 - VI ZR 389/12 - NJW 2014, 300, 301 [15]; BGH, Urteil vom 7. Mai 1996 - VI ZR 102/95 - NJW 1996, 2296, 2297 [II.2]; BGH, Urteil vom 28. Januar 1986 - VI ZR 30/85 - NJW-RR 1986, 512, 513 [II.1.b) und 2.a)]; BGH, Urteil vom 4. Juli 1972 - VI ZR 114/71 - BGHZ 59, 109, 113 f. [2.]; vgl. ferner Pardey in: Geigel, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl., Kap. 9 Rn. 29 und Rn. 30; Oetker in: Staudinger, BGB (2011), § 616 Rn. 421; Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 11. Aufl., Rn. 113).
(4) Sonderzahlungen usw. (2.321,59 € für 60 Kalendertage [14.12.2008 -13.2.2009])
(a) Auch jährliche Einmalzahlungen sind entsprechend der Rechtslage zur Urlaubvergütung Teil des Entgelts und entsprechend anteilig zu berechnen. Ob die nun eingereichten Verträge die Vereinbarung der Ansprüche insoweit in vollem Umfang ausreichend belegen, kann offen bleiben. Die Beträge wurden jedenfalls bereits in der Vergangenheit ausgezahlt, weshalb sie auf arbeitsvertraglicher Grundlage beruhen. Jedenfalls besteht danach sowie aufgrund der eingereichten Verträge kein ernsthafter Anhalt daran zu zweifeln.
(b) Folgende Beträge sind der Berechnung von der Klägerin zugrunde zulegt worden:
- Erfolgsbeteiligung (falsch bezeichnet als Ergebnisbeteiligung) 6.733,16 €, ausgezahlt und abgerechnet Februar 2008, Grundlage ist die Betriebsvereinbarung zur Vergütung der Verkäufer (Anl. K2 zum Schriftsatz vom 21. Februar 2015, S. 34 ff.).
- Sonderzahlung (falsch bezeichnet als Erfolgsbeteiligung, richtig Sonderzahlung = sog. Weihnachtsgeld:) 1.999,38 €, ausgezahlt und abgerechnet November 2008, Grundlage ist der Tarifvertrag über Sonderzahlungen (Anl. K6 zum Schriftsatz vom 21. Februar 2015).
- Ergebnisbeteiligung (falsch als Weihnachtsgeld bezeichnet) 3.750 €, ausgezahlt und abgerechnet April 2008, Grundlage soll der Tarifvertrag über Sonderzahlungen (Anl. K6 zum Schriftsatz vom 21. Februar 2015) sein.
- Kontoführungsgebühr 15,34 €, ausgezahlt und abgerechnet Dezember 2008, Grundlage ist § 8 Nr. 3 Abs. 3 des Manteltarifvertrages (Anl. K6 zum Schriftsatz vom 21. Februar 2015).
(c) Zutreffend ist dagegen der Ansatz der folgenden Beträge
- Die Erfolgsbeteiligung für 2008 ist - entgegen der Annahme der Klägerin - im Februar 2009 in Höhe von 12.972,29 € ausgezahlt worden. Da die Klägerin einen geringeren Betrag geltend macht, bleibt dies aber unerheblich.
- Zur Sonderzahlung wäre ebenfalls zutreffend gewesen, den Betrag von 2.083,35 € aus der Abrechnung von November 2009 heranzuziehen, wie es die Beklagte getan hat. Da die Klägerin auch hier einen geringeren Betrag geltend macht, bleibt dies aber ebenfalls unerheblich.
- Zur Ergebnisbeteiligung 2008 ist jedoch im Dezember 2009 mit 2.003 € ein deutlich geringerer Betrag gezahlt worden. Nur dieser ist - wie die Beklagte zu 3. auch berechnet - maßgeblich, so dass der darüberhinausgehende höhere Betrag der Klägerin nicht zusteht.
- Kontoführungsgebühr wie geltend gemacht.
(d) Daher sind folgende Beträge zu berücksichtigen:
- | Erfolgsbeteiligung | 6.733,16 € |
- | Sonderzahlung | 1.999,38 € |
- | Ergebnisbeteiligung | 2.003,00 € |
- | Kontoführungsgebühr | 15,34 € |
- | Summe: | 10.750,88 € |
(e) Daraus errechnet sich ein Betrag von 1.767,27 € (10.750,88 € / 365 Tage x 60 Tage). Bei der Umrechnung der Klägerin ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Betrag auf das Jahr unter Abzug der Urlaubstage berechnet werden sollte. Das mag für die Verteilung der Urlaubsvergütung zutreffen, jedoch nicht für die Umrechnung anderer Beträge. Deshalb sind 365 Tage anzusetzen, wie es auch die Beklagte berechnet.
(5) Sachbezüge (800,97 € für 60 Kalendertage [4.12.2008 - 13.2.2009])
(a) Der grundsätzlich berechtigte (vgl. Reinhard in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl., § 4 EFZG Rn. 12) Ansatz von 4.311,90 € als Sachbezug nur für den Dienst- bzw. Geschäftswagen beruht auf dem Zeitraum vom 1. Dezember 2007 bis 30. November 2008, wie sich aus den Entgeltabrechnungen ermitteln lässt. Dies ist aber unzutreffend, denn es ist der konkrete Bezug in dem Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit maßgeblich. Ausweislich der Entgeltabrechnungen betrug der Bezug im Dezember 2008 184,95 € und im Januar sowie Februar 2009 jeweils 156,60 €. Insoweit ergibt sich die Berechtigung des Betrages aus dem nun vorgelegten Überlassungsvertrag.
(b) Diese Beträge hat die Beklagte auch abgerechnet und anteilig gekürzt schon bezahlt. Gezahlt sind für Dezember 2008 107,39 € (184 € / 31 Tage x 18 Tage), für Januar 2009 156,60 € und für Februar 2009 83,89 € (156,60 € / 28 Tage x 15 Tage), insgesamt 347,88 €, was bei der abschließende Berechnung berücksichtigt wird.
(6) Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung (2.327,22 €)
Es mag sein, dass sich die Sozialversicherungspflicht aus dem Gesetz ergibt. Das erspart der Klägerin jedoch nicht die hinreichende Bestimmung des Klagegegenstandes. Vorliegend lassen sich aber die mit der Klage geltend gemachten Anteile anhand der Entgeltabrechnungen noch nachvollziehen, wobei die (rechnerischen) Ansätze den Beklagten jedenfalls nicht nachteilig sind. Hierzu gilt im Einzelnen:
(a) Freiwillige Krankenversicherung/Pflegeversicherung
(i) Entgeltabrechnung 12/08
Ausgehend von den Anteilen von 244,80 € und 35,10 € ergeben sich für 18 Tage 142,14 € und 20,38 €.
(ii) Entgeltabrechnung 1/09
Zwar sind Anteile von 268,28 € und 35,83 € ausgewiesen. Geltend gemacht werden aber nur 214,62 € sowie 28,66 €.
(iii) Entgeltabrechnung 2/09
Hieraus werden keine Beträge geltend gemacht.
(iv) Es ergibt sich daher ein Gesamtbetrag von 405,80 €.
(b) Renten- und Arbeitslosenversicherung
(i) Provision und Fixum
Der für die Arbeitgeberanteile in der eingereichten Abrechnung angesetzte Prozentsatz von 9,95 % für die Rentenversicherung und von 1,60 % (für 12/08, wobei die Abrechnung allerdings 1,65 % ausweist) bzw. 1,40 % für die Arbeitslosenversicherung ist plausibel und wird nicht beanstandet.
Die in den Abrechnungen 12/08 und 01/09 aufgeführten Ansätze mit Summen von 614,80 € (527,35 € und 87,45 €) sowie 612,90 € (537,30 € und 75,60 €) und in der Abrechnung K2 so ausgewiesenen Beträge hat die Beklagte akzeptiert, allerdings für Dezember zu Recht anteilig auf 356,98 € (614,80 € / 31 Tage x 18 Tage) gekürzt, weshalb insgesamt nur 969,88 € anzusetzen sind.
(ii) Vermögenswirksame Leistungen
Für diese Beträge ist der Arbeitgeberanteil bereits zu (i) berücksichtigt und jedenfalls in den Abrechnungen darüber hinaus nicht aufgeführt.
(iii) Urlaubsvergütung
Von 2.482,15 € entfallen 744,65 € auf Dezember (18 Kalendertage) und 1.737,50 € auf die ersten 42 Kalendertage im Jahr 2009. Danach ergeben sich die Arbeitgeberanteile mit 86,01 € (9,95 % und 1,60 % für Dezember) sowie 197,21 € (9,95 % und 1,40 % für Januar und anteilig Februar).
Da die Klägerin für 2009 jedoch einen geringeren Betrag geltend macht, weil sie - wie in ihrer Berechnung (Anlage K2) angegeben - die Versicherungsbeträge nur bis 24. Januar 2009 berechnet hat, ist der zweite Betrag jedoch mit Rücksicht auf den Klagegegenstand zu kürzen, was 112,69 € (197,21 € / 42 Tage x 24 Tage) ergibt.
Insgesamt ist daher ein Betrag von 198,70 € zuzusprechen.
(iv) Sonderzahlungen
Entsprechend (iii) ist hier ebenso zu verteilen:
Von 1.767,27 € entfallen 530,18 € auf Dezember und auf weitere 42 Kalendertage 1.237,09 €. Das ergibt für Dezember 2008 61,24 € und im Übrigen 140,41 €. Letzterer Betrag ist aber auch hier nur bis 24. Januar 2009 berechnet worden, so dass ebenfalls zu kürzen ist, was 80,23 € (140,41 € / 42 Tage x 24 Tage) ergibt.
Insgesamt ergeben sich hier 141,27 €.
(v) Sachbezüge
Hier ergeben sich entsprechend obigen Berechnungen für Dezember 2008 auf der Grundlage von 107,39 € die Arbeitgeberanteile mit 12,40 €.
Der Betrag für Januar bis 15. Februar 2009 (ausgehend von 240,49 €: 27,30 €) ist auch hier wegen der Bestimmung des Klagegegenstandes in der Anlage K2 auf 15,60 € (27,30 € / 42 Tage x 24 Tage) zu korrigieren.
Insgesamt ergeben sich 18,00 €.
(vi) Der Gesamtbetrag der zuzuerkennenden Arbeitgeberanteile an der Sozialversicherung beträgt daher 1.327,85 €.
(7) Gesamtberechnung
(1) | 13.977,80 € |
(2) | 42,03 € |
(3) | 2.483,15 € |
(4) | 1.767,27 € |
(5) | 347,88 € |
(6) | 1.327,85 € |
Summe (statt 22.332,52 €): | 19.945,98 € |
(nach Teilungsabkommen) mit der Klage nicht geltend gemachter Betrag: | - 2.500,00 € |
Zahlung I (mit der Klage nicht geltend gemachter Betrag): | - 2.500,00 € |
Zahlung II (mit der Klage nicht berücksichtigt): | - 458,31 € |
verbleiben: | 14.487,67 € |
2. Dementsprechend ist auch der Zinsanspruch nur anteilig gemäß §§ 286, 288 BGB begründet, und zwar nicht bereits ab dem 19. August 2009, sondern erst seit dem 1. März 2012. Das Schreiben vom 18. August 2009 - auf das sich die Klägerin bezieht - beinhaltete keine Mahnung, weil eine solche eine eindeutige Leistungsaufforderung voraussetzt. In dem Formularschreiben war aber lediglich die Möglichkeit angekreuzt: "Bitte teilen Sie uns die aktuelle Sachlage mit. Wir konnten bisher keinen Zahlungseingang feststellen." Dies genügt nicht als eindeutige Leistungsaufforderung. Verzug ist daher erst mit der endgültigen Leistungsverweigerung mit Schreiben vom 16. Februar 2012 eingetreten, dessen Zugang - entsprechend dem frühesten Vermerk auf dem Schreiben - mit dem 29. Februar 2012 angenommen werden kann, so dass Verzugszinsen erst ab dem 1. März 2012 geschuldet sind.
3. Die Feststellungsklage ist hinsichtlich des Antrages der Klägerin auf Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Schäden, wobei die auf sie aufgrund der (in Zukunft § 6 EFZG vorgehenden) Vorausabtretung übergehenden Ansprüche ihres Arbeitnehmers gemeint sind, zulässig und überwiegend begründet, im Übrigen jedoch unbegründet (a)). Soweit der Antrag auf entsprechende Feststellung für bereits entstandene Schäden gerichtet ist, ist die Klage dagegen unzulässig (b)).
a) Zwar ist unstreitig, dass der Arbeitnehmer der Klägerin durch die bei dem Unfall erlittenen Verletzungen nicht in seiner Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt ist, das schließt jedoch angesichts der Schwere der Verletzungen (Fraktur des linken Schlüsselbeins im mittleren Drittel, schmaler knöcherner Ausriss am Kopf des Mittelhandknochens III, Fraktur der vierten Rippe links, Hüftzerrung links) erforderliche Nachbehandlungen, die zu Fehlzeiten führen können, nicht völlig aus. Für das erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) genügt insoweit, dass künftige Schadensfolgen auch nur entfernt möglich sind, selbst wenn ihre Art und ihr Umfang oder ihr Eintritt noch ungewiss sind. Bei schwerwiegenderen Verletzungen kann aber grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden, dass es zu schnelleren Verschleißerscheinungen u. ä. oder Nachoperationen kommen kann. Diese geringen Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit rechtfertigen sich aus dem Umstand, dass die Beweislage zum Grund des Anspruchs für den Geschädigten mit zunehmendem Zeitablauf ungünstiger wird.
Das Feststellungsinteresse ist auch nicht im Hinblick auf die zwischen dem Zeugen ... und der Beklagten zu 3. unter dem 6. Februar 2012 geschlossene umfassende Abfindungserklärung ausgeschlossen. Die Klägerin müsste das Rechtsgeschäft gemäß § 407 Abs. 1 BGB nur dann gegen sich gelten lassen, wenn die Beklagte zu 3. bei dessen Vornahme die Abtretung nicht gekannt hätte, während allein die Kenntnis der Möglichkeit des zukünftigen Forderungsübergangs nach § 6 EFZG unerheblich bliebe. Die Klägerin hat die vorherige Kenntnis der Beklagten zu 3. nunmehr vorgetragen und hierzu konkret geltend gemacht, den beiden Schreiben vom 3. März 2009 sei die Anlage K2, die die Abtretung umfasste, beigefügt gewesen. Dies ist zum einen unstreitig geblieben. Zum anderen ist - auch wenn die Klägerin nicht ausdrücklich auf die Abtretung hingewiesen hat - ausgeschlossen, dass bei der Prüfung der darin bezifferten Forderung angesichts der räumlich verstreuten Verteilung der handschriftlichen Einträge in dem Formular die Abtretungserklärung hätte übersehen werden können.
Die Feststellungsklage ist insoweit entsprechend den Ausführungen zum Zahlungsantrag wegen der zukünftigen Schäden im Umfang des Übergangs aufgrund der Abtretungserklärung (entsprechend dem Umfang nach § 6 EFZG) begründet.
Allerdings ist nicht ersichtlich, worauf die Klägerin einen Ersatzanspruch für Kosten und Aufwendungen stützen will. Solche des Zedenten gehen jedenfalls weder nach § 6 EFZG noch auf der Grundlage der Abtretungserklärung auf sie über.
b) Soweit Schäden bereits entstanden sind, wäre für die nicht anhängig gemachten Forderungen die mögliche Leistungsklage zu erheben gewesen, worauf bereits das Landgericht hingewiesen hat. Eine Ausnahme hätte nur bestanden, wenn sich die Schäden in der Fortentwicklung befunden hätten, was vorliegend nicht der Fall war. Vielmehr war die Schadensentwicklung zunächst abgeschlossen. Hinsichtlich der anhängigen Zahlungsforderung rechtfertigt dann auch § 256 Abs. 2 ZPO keine doppelte Rechtshängigkeit, zumal die Feststellung über entstandenen Ansprüche nicht vorgreiflich für zukünftige Ansprüche ist.
Der Klägerin steht gegen die Beklagten der geltend gemachte Anspruch auf bezifferte Freistellung (hier nach § 249 BGB; vgl. Grüneberg in: Palandt, BGB, 74. Aufl., § 249 Rn. 4) von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 492,54 € brutto schon dem Grunde nach nicht zu. Es mag sein, dass die Fälligkeit der im Rahmen der mittelbaren Kausalität zurechenbar eingegangenen Verbindlichkeit genügt und es grundsätzlich keiner Rechnungstellung bedarf. Bei der Geltendmachung von Beträgen, die - wie hier - erst in der Rechnung festzulegende Rahmengebühren berücksichtigen, ist aber schon wegen der erforderlichen verbindlichen Festlegung der Gebühr (§ 14 RVG) dem Schuldner nur dann eine Zahlung zuzumuten, wenn eine verbindliche Gebührenrechnung dem Geschädigten gestellt ist und der Zahlbetrag damit festgelegt ist. Eine bezifferte Freistellung bliebe vor einer solchen Festlegung daher ebenfalls ohne tatsächliche Grundlage, weshalb auf das vorherige Stellen einer Rechnung gegenüber dem Mandanten nicht verzichtet werden kann und diese im Antrag zur Konkretisierung der Freistellung geboten ist. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, weshalb vorliegend Mehrwertsteuer anzusetzen sein sollte. Die Klägerin ist zum Vorsteuerabzug nach § 15 UStG berechtigt, so dass nur der Nettowert geltend gemacht werden könnte (vgl. Freymann in: Geigel, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl., Kap. 5 Rn. 8, 11, 18, 21; Pardey in: Geigel, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl., Kap. 9 Rn. 56; Schubert in: Bamberger/Roth, BGB (Stand: 1.05.2015), § 249 Rn. 139 und Rn. 234; Grüneberg in: Palandt, BGB, 74. Aufl., Vorb v § 249 Rn. 95).
4. Der Antrag auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, auf die von der Klägerin gezahlten Gerichtskosten bis zum Eingang des Kostenfestsetzungsantrages nach Maßgabe der ausgeurteilten Quote die gesetzlichen Zinsen zu zahlen, ist unbegründet. Es mag sein, dass ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch grundsätzlich denkbar ist. Eine abstrakte Verzinsung nach § 288 Abs. 1 BGB kommt jedoch nur in Betracht, wenn die Beklagten sich mit der Erfüllung der Schuld, d.h. hier der Zahlung der Gerichtskosten (als Teil der Rechtsverfolgungskosten) an die Klägerin, in Verzug befinden würden (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 - VI ZR 357/13 - NZV 2014, 445, 448 [22]; BGH, Urteil vom 7. April 2011 - I ZR 34/09 - NJW 2011, 2787, 2791 [37]; OLG Karlsruhe, Urteil vom 10. Juli 2012 - 8 U 66/11 - NJW 2013, 473, 474 f. [II.2.b)]; vgl. auch Lüttringhaus NJW 2014, 3745, 3747 f. [III.]), was hier weder ersichtlich noch dargetan ist.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, wobei der Streitwert zum Feststellungsantrag jeweils hälftig zugerechnet wird und der Quote das Verhältnis von 15.737,67 € zu 19.832,52 € zugrunde gelegt ist. Hinsichtlich der Kosten der dem gesetzmäßig ergangenen ersten Versäumnisurteil zugrunde liegenden Säumnis beruht sie auf § 344 ZPO.
5. Die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 S. 1 EGZPO; § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO.